27.4. - 7.5.00
Tagebuch Seite 58
Malaysia, Perhentian Inseln & "Le grand Bleu"

Tatsächlich, auf der anderen Seite der Brücke, die Thailand und Malaysia verbindet, sind die Grenzbeamten wesentlich verständnisvoller und verstehen blendend Englisch! Alle Einreisepapiere und Deklarationen machen in roter Farbe unmissverständlich klar, wie Malaysia mit Drogen und deren Probleme umzugehen gedenkt: "Be Forewarned! Death for Drug Trafficants under Malaysian Law!". Ohne weitere Probleme passieren wir die "Kastam", die als Novität jedes Gepäcksstück, welches ins Land will, durchleuchtet. Dieses Mal vergessen wir nicht, unsere Uhren um eine Stunde nach vorne zu stellen - komisches Gefühl, an einer Zeitzone zu stehen oder über sie hinweg zu Fuss zu gehen...

Wie schon bei unserem letzten Besuch Malaysias fällt uns als Erstes der wesentlich höhere Entwicklungsstandard des Landes im Vergleich zu Thailand auf. Dies hat für uns komische Folgen bzw. Auswirkungen: Wir kommen über die Grenze und es kommt niemand auf uns zu, der uns Transportmöglichkeiten anbietet. Komisch für uns, denn meist kann man in aller "Ruhe" sich den Günstigsten auswählen oder den Preis aushandeln. Hier nicht - entlang der kleinen Strasse, die vom Grenzpunkt aus wegführt, ist tote Hose. Viel wichtiger für den Moment wäre uns eh' mal an ein paar Ringgit zu kommen, damit wir überhaupt irgend ein Verkehrsmittel bezahlen können. Wiederum könnte an einer beliebigen Asiatischen Grenze dieses Problem erst gar nicht aufgetreten ob den vielen Angeboten und den Leuten, die just von diesem Bedürfnis leben. In Malaysia scheint diese Art von Erwerb einfach nicht lohnenswert genug...

Anyway, wir finden nach einer Wanderung von knapp einem Kilometer eine art Busstation mit angegliedertem Sammeltaxistand. Alle Preise sind angeschlagen, nicht verhandelbar und etwa 40% teurer als in Thailand. (Macht definitiv keinen Spass mehr) Wir suchen uns ein paar Leute, die mit uns ein Fahrzeug (25-jähriger, altersschwacher Toyota Cedric Saloon - ein Wunder, dass das Ding überhaupt noch fuhr) teilen wollen und fahren mit einer ob jeder kleinen Unebenheit der Strasse quetschenden Federung Richtung Kota Bharu, der nächstgrösseren Stadt an der Malayischen Ostküste.

Kota Bharu ist eine recht kleine, ziemlich generische asiatische Stadt. Zu sehen gibt's hier eigentlich gar nichts. Was aber auffällt, ist dass dies die islamischste Region Malaysias ist. Alle Frauen tragen Kopftücher und je nach dem, wie religiös ihr Gatte ist, tragen sie zudem noch lange wallende "Islam"-Kleider und/oder gesichtsverhüllende Kopfbedeckungen. Interessant ist auch das Erlebnis Supermarktkassen, welche geschlechtsgetrennt sind. Kassen für Männer und Kassen für Frauen. Je nach dem, wie religiös die Frau an der Kasse ist, darf sie unter Umständen überhaupt gar nicht mit Männern kommunizieren! Es sind sowieso nicht viele Frauen auf der Strasse unterwegs - wenn der Mann äusserst konservativ ist, darf Frau erst gar nicht aus dem Haus. Das Gleiche gilt für die kleinen Pavillons in der Fussgängerzone: sie haben einen Teil, den sich beide Geschlechter teilen dürfen und einen zweiten Teil in dem sich die Geschlechter einzeln zurückziehen und in die das andere Geschlecht nicht darf. Dass diese Pavillons gut 10 Meter von einander entfernt sind, müssen wir nicht noch weiter ausführen, oder? Richtig anstrengend wurde der Islam für uns erst Abends, als er uns direkt betraf: Wir hatten den unglaublich farbigen Nachtmarkt von Kota Bharu entdeckt, wo es in einem riesigen Tumult jede nur erdenkliche Art von Essen gab und wir uns voller Freude mit den Muslim-Goodies "Roti Canai" und "Murtabak" vollstopften. Da sitzen wir nun und essen, rund um uns herum sind dutzende Stände, an welchen gekocht, gegart und gegrillt wird und auf einmal ertönt ein schriller Ton und alle Lautsprecher mit Musik verstummen. Die anderen Gäste unseres Tee-Ladens haben irgendwie gewusst, dass nun Etwas los ist und stehen schon an, um zu bezahlen. Die Stände rund um uns herum haben aufgehört zu kochen und schalten die Lampen aus. Die Leute unseres Ladens wischen die Tische in aller Eile ab und fordern uns auf, fertigzumachen, denn bald sei die Zeit des Gebetes und sie wollten noch rechtzeitig in die Moschee kommen. Kurz darauf ertönt das markerweichende Gesäng des Muezins, welches von den Lautsprechern der Minarette in die Stadt gestrahlt wird, um die Gläubigen zu rufen. Der Markt war inzwischen regelrecht geschlossen worden und nur noch einige Männer standen herum - als Wachen. Wir indes hatten ein starkes "Foodus Interruptus"-Gefühl und zogen uns - mit der "ungläubigen" Chinesischen Bevölkerung Kota Bharus für die Zeit des Gebetes in die Pavillons zurück, um auf die Rückkehr der Marktleute zu warten. Es war dann recht interessant mitanzusehen, wie der gesamte Markt innerhalb von Minuten nach dem Ende der Gebete wieder auf volle Touren kam und der Lärmpegel wieder auf einen asiatischen Level stieg... Zumindest war die Nacht in Kota Bharu im Vergleich zu einer beliebigen anderen Asiatischen Stadt richtiggehend ruhig - Muslims dürfen keinen Alkohol trinken und somit fallen all die lauten Schnaps-Sessionen, welche sonst so typisch für Asien sind, hier für einmal weg. 

Wir sind immer noch auf der Suche nach Sonne, Strand und Sand, denn unsere verbleibende Reisezeit rinnt uns durch die Finger wie Sand. Der Einladung unserer Freunde folgend, nehmen wir bereits am nächsten Tag ein Sammeltaxi (30-Jähriger Mercedes-Benz mit echten Springefedern in den Sitzen - boing, boing!) in Richtung Pier, der ca. 30 km von Kota Bharu weg ist. Obwohl es einen recht dichten Verkehr in diese Richtung gibt und der Hafen recht gross ist, führt der Weg von Kota Bharu nach Kuala Besut über einspurige Landstrassen und ist alles andere als direkt. Die Fahrt in diesem museumsreifen Fahrzeug mit einem politisch interessierten und gebildeten ex-Militär jedoch gibt uns, dank dem brillianten Englisch des Fahrers, tiefe Einblicke in die doch-nicht-so-friede-freude-eierkuchen Situation Malaysias, einem Staat, der sich - Mahatir Mohameds Wille durchgesetzt - in einen Isalmischen Staat verwandeln will. Hoffen wir, dass dies nicht passiert. Malaysia ist zusehr ein buntes Gemisch von Rassen und Religionen, als dass die Einschneidenden Veränderungen, die eine komplette Islamisierung mit sich bringt, fair und sinnvoll sein würden. Die Mehrheit der Bevölkerung - welche Religion auch immer - scheint sowieso gegen diese Idee zu sein...

Von Kuala Besut aus nehmen wir eine Art umgebauten Fischkutter zu den 10 km weit im Meer liegenden Perhentian Inseln. Es gibt zwei Perhentian Inseln - gross und klein. Wir wissen schon ziemlich genau, wo wir hinwollen, denn unsere Freunde arbeiten auf der kleinen Insel an einem Strand der sich - nicht sehr einfallsreich - "Long Beach" nennt.

Wie ein Nahverkehrsmittel hält unser Kutter an jedem der verschiedenen Strände der Inseln - zuerst die grosse und dann die kleine. Man muss kaum raten, an welcher Stelle "Long Beach" kam, oder? Natürlich an letzter und verlängerte unsere Fahrzeit von eineinhalb Stunden um nochmals eine weitere gemächliche Stunde von Manoeuvrieren und andocken oder auf kleine Boote warten, welche die Leute vom Boot aus an den Strand bringen, sollte denn der Strand keine Landung von grossen Booten zulassen.

Zu warten lohnte sich aber! Die "Long Beach" ist eindeutig der schönste Strand, den wir gesehen haben. Nicht gerade "Long" präsentiert sich der Strand als eine perfekte Reproduktion der Vorstellungen, die ein Reiseprospekt normalerweise erweckt: Schneeweisser, feiner Sand, Türkis/Smaragdgrün/Tiefblaues Meer, extrem viele tiefgrüne Palmen und leichte Hügel ein bisschen weiter hinten. An der Strandlinie gibt es keine Bungalows, sondern Palmen, zwei oder drei Bars - das war's! Wunderschön! Unsere Freunde arbeiten in einem Tauchshop und als wir dort mit unserem Gepäck ankommen sind sie per Zufall gerade beide nicht am Tauchen. Grosse Freude des Wiedersehens. Wir lassen unsere Sachen im Shop und machen uns daran, eine Unterkunft zu suchen. Es gibt an diesem Strand nicht besonders viele Bungalows und nach knapp einer halben Stunde sind wir bei jedem einzelnen vorbeigegangen und haben uns nach einer Hütte - egal welcher Preislage - erkundigt. Es gibt an diesem Strand nicht EIN einziges Zimmer mehr. Wir benutzen das Mobiltelefon des Tauchshops, um bei den anderen Stränden und der anderen Insel nachzufragen - gleiches Ergebnis! Die Perhentian-Inseln sind ausgebucht! Schlussendlich bot uns der Besitzer des Tauchshops sein Zelt an, welches wir dann dankbar annahmen, da wir sonst wie alle anderen Reisenden, die kein Zimmer mehr fanden auf dem harten Boden in irgend einem Resto oder einer Bar schlafen hätten müssen. Die Nacht am Strand im Zelt war sehr romantisch, wenngleich kurz, denn die Temperaturen waren um acht Uhr Morgens im Inneren bereits unaushaltbar und trieben uns zum frühen Aufstehen. Mit viel Überzeugungskraft argumentieren wir mit einigen der Bungalowbesitzer, dass eine schwangere Frau nicht am Strand übernachten sollte und bekommen so zumindest nicht ein Hüttchen, jedoch aber die Zusicherung Nr. 1 auf der jeweiligen Warteliste zu sein. (Unser Russisches Training hat sich also doch ausgezahlt - wir hätten den Volga bestimmt auch vor dem gemeinen Volk bekommen!) Tatsächlich entschliesst sich jemand doch noch von diesem wunderschönen Ort Absched zu nehmen und wir bekommen ein wenngleich teures, jedoch reales Hüttchen mitten im grünen Palmenwald.

Alles ist verhältnismässig teuer hier, aber die Qualität von Essen und Service stimmt und kann sogar Kurzurlauber aus Europa, von denen es einige gibt, zufriedenstellen.

In den folgenden Tagen machen wir uns am Strand breit und geniessen die Sonne und die Ruhe. Abends essen wir mit unseren Freunden und diskutieren viel über ihren Job - sie sind beide Tauchinstruktoren. Tauchen wollte ich schon seit Längerem, warum dann nicht gleich das Brevet machen und offiziell Taucher werden? Mit der Hilfe unserer Freunde, 5 Tagen und ein wenig Geld kein Problem. Witzigerweise kostet der Zertifizierungskurs hier in Malaysia wesentlich weniger als in Thailand, wo wir - nur so aus Neugierde - mal gefragt hatten. Also los, go for it!

Chantal hat sich - schweren Herzens natürlich - damit abgefunden, dass sie ob ihrem Zustand nicht tauchen darf und somit den ganzen Tag am Strand bleiben, sich in der Sonne bräunen und im Wasser planschen muss - ein wahrlich hartes Leben!

Die nächsten 4 Tage sollten für mich die Tür in eine neue Welt aufstossen. Eine neue, fremde, irrsinnig interssante, mit einigen neuen Gefahren ausgestattete Welt. Die ersten Atemzüge unter Wasser sind schon etwas besonderes - einfach nicht mehr an die Oberfläche kommen zu müssen, sondern einfach...einatmen! Langsam arbeite ich mich in die Materie ein - es gibt viel zu lernen: Komprimierte Luft, Sauerstofftoxizität, Stickstoffnarkose, positive und negative Schwimmfähigkeit, jede Menge Ausrüstung, Kommunikation unter Wasser und was zu tun ist, wenn was nicht so ist, wie es sein sollte. Insgesamt sind aber die täglichen Tauchgänge und das Besuchen der Korallenriffs mit ihren unglaublich farbigen, grossen und kleinen Bewohnern die jeweiligen Höhepunkte. Es ist etwas Spezielles auf 18 m Tiefe gegen die Wasseroberfläche zu sehen und auf einen Blick tausende von Fischen zu sehen. Alles ist Blau und jeder Blick offenbart neue Erlebnisse. - Whew, genug erzählt! Wie immer: Selber machen, selber sehen, selber erleben! Nach dem Abschlusstest bin ich nun stolzer "Open Water Diver", der jedoch wahrscheinlich nicht mehr sehr viel dazu kommen wird, sein Brevet zu benutzen - In Thailand vielleicht, auf dem Weg zurück nach Bangkok vielleicht ein paar Tage auf Ko Wasauchimmer verbringen?

Die Tage verfliessen nur so und es wird uns langsam bange, denn unser Rückreisetermin rückt unaufhaltsam näher - und wir können dieses Mal nichts dagegen tun! Wir haben aber noch eine letzte "Reiserische" Aufgabe vor uns, die wir uns schon vor ewigen Zeiten gestellt hatten: An südöstlichste Stelle der Eurasischen Landmasse vorzudringen. Zum Glück ist dies ein recht einfach erreichbarer Ort. Auf nach Singapur!

Wir verabschieden uns von unseren Freunden und ihrem Paradies und nehmen wieder den Nahverkehrsfischkutter Richtung Kuala Besut und befinden uns knapp eine Stunde später wieder im ruhigen Kota Bharu, wo wir nach einem Bahnhof Ausschau halten. Den gibt es aber nicht dort, sondern im 13 km entfernten Wakaf Bharu, einer kleinen Siedlung, die um den dort ins Nichts erbauten Bahnhof entstanden ist. Kopfschüttelnd ob dieser Sinnlosigkeit nehmen wir wieder mal ein Sammeltaxi - DAS Transportmittel hier - und besorgen uns ein Ticket nach Singapur, welches dankbarerweise direkt von hier aus erreichbar ist. Am Abend soll es losgehen.

Von unserer Tickettour zurück nehmen wir die Gelegenheit wahr, für dem günstigsten Tarif in ganz Asien (1 Fr./h) auf dem Internet zu surfen. Da wir normalerweise uns direkt mit dem Netz verbinden und für den E-Mail-Austausch nicht auf Internet-Cafés angewiesen sind, ist der Besuch eines solchen normalerweise für uns bloss eine (kurze) Übung um nachzusehen, ob uns jemand etwas ins Gästebuch geschieben hat (zuwenige!), oder ob der neueste Eintrag es inzwischen auf's Netz geschafft hat. In diesem Fall jedoch war der Tarif rund die Hälfte billiger, als der bisher billigste Asiens und der Shop hatte eine 512 KBit-Standleitung (wuu-ha!) ins Netz, eine erfrischende Abwechslung vom üblichen "20-PC's-ein-Router-und-ein-56k-Modem-verbunden mit 28.8"-Trauerspiel Thailands. Warum erwähnen wir überhaupt diesen Besuch? Er war ein gutes Fallbeispiel für die sozialen Probleme Malaysias und ihre Auswirkungen.

Dieser Shop ist nicht der einzige in dieser verhältnismässig kleinen Stadt und von der Grösse her auch nicht speziell. Auf drei Stockwerke verteilt sind etwa 100 PC's zusammengehängt und nochmals zwei weitere Stockwerke stehen knapp vor der Fertigstellung. Fast alle verfügbaren PC's sind besetzt - vorwiegend von Frauen unter 30. Es sind zwei Anwendungen auszumachen: IRC-Chat und Surfen auf amerikanischen Lifestylesites. Das Problem der Jugend hier, ist dass auch hier die Familienstrukturen langsam sich am auflösen sind, Satelliten die Bevölkerung mit jeglichem Soap- und Filmschund - vorwiegend aus den USA - versorgen, sich aber die religiösen Moralvorstellungen nicht mit den durch die Einflüsse entstandenen neuen Bedürfnissen vereinbaren lassen. Wie soll denn eine junge Frau ein ihr tausendfach vorgezeigtes "cooles" Leben führen, wenn ihre Religion es ihr verbietet, mit Männern zu reden, geschweige denn mit ihnen zu verkehren? Vom Alkohol und den Kinderheiraten ganz zu schweigen... Das Internet ist die Lösung! Per IRC verkert die Jugend miteinander - es kam vor, dass eine Frau mit einem Mann im gleichen Raum kommunizierte, per Computer natürlich, aber zumindestens konnten sie einander in einer Art näherkommen, die ihre Religion in der realen Welt nie zugelassen hätte. 

Wir indes versuchten krampfhaft via das Netz Adressen von günstigen Guesthouses in Singapur zu finden, die nicht gleich das Zehnfache von dem kosten, was wir in Thailand für ein Zimmer mit allem drum und dran zahlen müssten. Die Suche war erfolgreich und während der ganzen Stunde hörten wir uns live via das Web über die an unserem PC angeschlossenen Brüllwürfel Radio 24 an - ein ganz heimisches Gefühl überkam uns...

Los, los, schon ist es Zeit mit uns weiterzureisen! Ab nach Wakaf Bharu und der Fahrt zum fremden Planeten Singapur!