26.10. - 9.11.98
Tagebuch Seite 17
Hanoi, die zweite - Weissrussische Technologie
Wieder zurück in Hanoi erholen wir uns mal für ein, zwei Tage von der Strapaze in Haiphong. Hanoi lädt geradezu ein, einfach ein bisschen herumzuhängen: Unzählige Bia Hoi's Pho-Schuppen und internationale Restis (Mit internationalen Preisen, jedoch). Das Wetter lässt uns auch nicht im Stich: jeder Tag ist schön, warm und nicht feucht.

Wir ziehen uns jeden Tag eine Lektion in Vietnamesisch rein. Vietnamesisch, wie schon gesagt frustriert mehr noch als Chinesisch, man kann nämlich (theoretisch) alles lesen. Nur, es klingt dann nie so, wie es eigentlich sollte. Die Falle sind nämlich die Töne (Art, wie man einen Selbstlaut aussprechen kann) - 6 gibt's davon und es gibt drei mal soviele Selbstlaute, wie im Deutschen. Es gibt zudem Buchstabenkombinationenen, die dann einen eigenen Laut ergeben - alles in allem eine sehr schwierige Sache: Man spricht einen Buchstaben mit Ton 20 Mal nach, für sich selber klingt's ok, aber unsere Lehrerin sagt jedes mal, dass wir noch weit von der richtigen Aussprache entfernt sind - manchmal echt frustrierend! Was aber dann immer sehr belohnend wirkt, ist die Tatsache, dass wenn wir hie und da Vietnamesisch versuchen zu kommunizieren, es doch trotz unserer schlechten Aussprache mit der Aussprache (manchmal) klappt!

Wir hatten eigentlich vor, bald Richtung eines Strandes weiterzureisen, Markus gab uns dann aber ein Buch namens "Minsk Madness". Dieses Buch beschreibt, wie das Reisen auf einer russischen Minks in den Bergen an der Laotisch-Chinesischen aussieht. Klingt sehr interessant und speziell wären wir dann weg von den anderen Travellern (uäh!), die auf den ausgetretenen Pfaden reisen. (Bei Interesse mail doch mal dem Minsk-Clubs, ob und wo das Buch online zu finden ist - die Erstellung einer solchen Page steht unmittelbar bevor und das Buch ist wirklich wert, gelesen zu werden!) Markus - in seiner Funktion als Vize-Präsident des Minsk-Clubs in Hanoi - hat uns angeboten, uns bei der Beschaffung einer solchen Machine behilflich zu sein - und speziell wichtig (ohne Mobilfon und TCS) mir beizubringen, wie man das Ding wartet und repariert (interessant, mal ölige Finger zu bekommen). Bedingung: Wir werden Mitglied beim MinskClub - kein Problem und gerne! Nächste Woche soll es dann soweit sein. Für 400 US$ gibt's eine komplett überholte (Zitat "Besser als neu" - was das auch immer heissen mag!) Minsk, ein russisches Geländemotorrad mit 125 cm³.

Die Tage fliegen nur so dahin und schon ist es soweit: Wir gehen zu Markus Haus und da steht sie! Ein schwarzes Ding - mit der minimalsten Ausstattung, die es gibt. Laut, stinkig aber erstaunlich bequem. Nach der Übergabe der Papiere ist dann das Ding meins. Die ersten Fahrten in Hanoi gestalten sich schwierig. Ausser dem Rotlicht (manchmal) gibt es keine Verkehrsregeln - alles ist erlaubt! Nach einigen Tagen aber geht's schon und es macht Spass in der Hanoi-Rushhour mit 10'000-en anderen Motorrädern herumzufahren. Ein anderes Plus: Hanoi ist unglaublich klein geworden - schnell mal ans andere Ende der Stadt, um dort bei einem anderen Pho-Schuppen, der angeblich besonders gut sein soll, essen zu gehen, ist auf einmal ein Lächeln wert. Wir fahren mit 8% (!) Öl im Benzin und sollen diese Zahl auf 10% erhöhen, wenn wir hardcore in den Bergen herumfahren...

Einige Tage später bekommen wir einen Anruf von unseren vietnamesischen Freunden, die wir inzwischen haben, ob wir bei einem Picknick auf dem nahegelegenen BaVi Mountain teilnehmen möchten. Dieses Picknick wird vom Englisch-Club Hanoi organisiert - wir können uns ungefähr ausmalen, wie das dann aussehen wird, aber es macht uns nichts aus - so fahren wir mit dem Bus (Die Organisatoren bestehen darauf, dass wir nichts zahlen) mit 50 anderen Vietnamesischen Studenten an einem klammen Morgen (um 5 Uhr früh ist es auch in Hanoi noch kühl!) Richtung BaVi. Eigentlich passiert nicht sehr viel: Wir besteigen den Berg und ganz oben besuchen wir eine sehr alte und in den Fels eingelassene Chinesische Pagoda, komplett mit betendem Mönch. Alle interessieren sich für uns und fragen uns die üblichen Fragen, von woher wir sind, was wir über Vetnam denken und was wir noch besuchen werden etc. Hätten wir nicht allen gesagt, dass wir verheiratet sind, hätten wir uns wahrscheinlich nicht vor Anträgen retten können! Das war nämlich immer eine der ersten Fragen... Verständlich bei der Situation, in der sich die Leute hier befinden - wir sind unvorstellbar reich im Vergleich zu ihnen! (Besser nicht sagen, dass wir beide mehr als ein Vietnamesisches Jahresgehalt im Geldgürtel hatten) Alles in allem aber machte der Tag spass - auch wir haben viel über die vietnamesische Jugend und ihre Sichtweisen gelernt!

Während der nächsten Tagen geht's einem von Chantal's Augen immer schlechter - es entzündet sich und schwillt an: Das gibt mir die Möglichkeit, allen zu sagen, dass dies halt davon kommt, wenn man mit mir diskutiert... Mit einem Besuch in der Augenklinik (Behandlung Gratis, wenn Chantal mit dem Arzt einen Kaffee trinken geht...ahhh-ha) ist dann auch der Grund gefunden: eine generelle bakterielle Entzündung des Auges - für knapp 7 Franken gibt's dann bei der Apotheke zwei Augenlotionen, die der Entzündung den Garaus machen sollen.

Inzwischen kam aus der Schweiz, um Chantals Genesung schneller vorangehen zu lassen, unser Paket mit Goodies an: Es sollte sich aber gar nicht so einfach gestalten, dieses Paket abzuholen... Da das Paket an die Firma Navico gesandt wurde, musste die Firma ein Formular ausfüllen, um mich zu berechtigen das Ding abzuholen (Passport Nummer, Alter und Kopie desselben - unterschrieben und abgestempelt vom Firmeninhaber) Dann zum Post Office. Dort müssen wir mal zuerst die Zustellung zahlen. Warum? Das Paket war ja Frankiert - Ja, ja, sagt uns der Angestellte, aber diese Frankatur deckt in Vienam nur die Zustellung bis zum Flughafen (wo es kein Post office gibt - clever, nicht?)- weiter in die Stadt, das kostet. Das sollte es aber noch nicht sein: Wir müssen eine Deklaration ausfüllen, was in diesem Paket drinnen ist. Bis US$ 50 deklariertem Wert ist das Ganze noch Frei, falls die Waren nicht unter die Deklaration fallen. Aber der Wert, den unsere Eltern in der Schweiz eingetragen haben, ist weit, weit darüber. Theoretisch müssten wir nun das Paket und die Waren einzeln vor dem Zollbeamten auspacken und er vergleicht es dann mit der Deklaration und wir müssten dann eine 70%ige Tax auf den deklarierten Wert zahlen. (Das wären dann die teuersten Zweifel-Paprika-Chips der Welt geworden) Aber der Zollbeamte hat eine Lösung parat. Bei Zahlung von 40 kD (ca. 4 Fr.) würden wir die Möglichkeit bekommen, ein neues Papier auszufüllen, auf dem nur Waren im Wert von 49.95 US$ zu sehen sein würden und wir müssten das Paket nicht für ihn öffnen. Einziger Haken dabei: Wir könnten diese Ausgabe (wiederum diese 40 kD) nicht bei der Steuer abziehen, da sie nicht auf dem Dokument bei der Tax auftauchen würden. (4 Fr. oder über 70 US$, das ist die Frage...Klar, für welche Variante wir uns entschieden, oder?).

Ein paar Tage später bin dann auch ich dran: Ich vermute, dass ich ein offenes Loch in einem Zahn habe - Das Hanoi Medi-Center kümmert sich darum. Man stelle sich vor: Man geht ohne Voranmeldung zum Zahnarzt, beim Eingang sind die Tarife klar angeschrieben und man kann gleich in die Warteschlange, die nie lange ist (2 Stühle). Die Preise: Generelle Untersuchung (mit Röntgen) - 7 Fr., Alles andere: 15 Fr./Stunde (!!). Alle Ausrüstungen sind absolut modern - manche Sachen habe ich in der Schweiz noch gar nicht gesehen... Die Ärztin lässt keine Zeit verstreichen: Mein Loch stellt sich nach einigen Minuten als eine Infektion des Zahnfleiches heraus. Mit einer sehr gründlichen Reinigung der Zähne mit einem Ultraschall-Gerät und einer Salbe, die ich auf die betroffene Stelle streichen soll, komme ich nach gut einer Stunde wieder vom Zahnarzt und habe zudem (als Service des Medicenters) nichts für's Parkieren des Motorrades (sonst überall in Hanoi) zahlen müssen! Cool! Jederzeit wieder!

Mit der Hilfe der Mitarbeiter vom Hanoier Büro für Telekommunikation löse ich dann auch noch die letzten Probleme betreffend dem Internet - Ganz Vietnam ist eine Art Intranet - jeder Zugriff geht über eine Firewall und mache Mails mit "Vietnamunfreundlichem" Inhalt kommen einfach nie an (wie kommt denn das?). Jetzt aber kann ich sogar die Mails abholen (War bisher durch die Firewall, die mir direkte Verbindungen zu meinem POP in der CH verweigerte, nicht möglich) - alles in allem sind sie wahrscheinlich zu überrascht, einen solch kleinen Rechner (gemäss ihnen, das erste Mal, dass sie Windows CE sahen) zu sehen - das wildeste, was ich in dem Hauptbüro gesehen hatte, war ein "uralter" Compaq ProLinea (Pentium 100, that is). Was der Rechenpower in dem Büro fehlte wurde aber durch die Leute und ihre unglaubliche Hilfsbereitschaft wettgemacht - Internet gibt's in Vietnam erst seit ende 1997 für den Normalbürger und sie versuchen, die Richtlinien der Regierung so weit wie möglich umzusetzen (Inhalte) aber sind eben alle sehr jung und fasziniert durch die Technik und ihre Möglichkeiten. Wird interessant, zu sehen, wie sich diese sehr stark regulierte Welt in Vietnam in den nächsten Jahren verändern wird...

Nach dem Kauf aller nötiger Landkarten, Kleider und Sonstigem sind wir bereit für unser Abenteuer - Vietnams Berglandschaft des Nordens, mal dort hinfahren, wo Touristen normalerweise nicht hingehen...! Am Abend vor unserer Abfahrt nehmen wir an einem Treffen des Minsk-Clubs teil. Viel Bier, guter Food und ca. 50 Leute, die eines gemeinsam haben: sie fahren eine Minsk in Hanoi und Umgebung. Eine kleine Gruppe entschliesst sich noch, nach dem Treffen noch zu einem Go-Cart Ring zu gehen - wir sind dabei! In Hanoi an einem lauen Abend mit motorisierten Carts um den Ring zu rasen ist schon was und macht irrsinnig spass - was aber noch mehr Spass macht die Tatsache, dass auf der Strecke jeweils ein armer Vietnamese zur gleichen Zeit in der wir 5 Foreigers wie die Wilden uns aus dem Weg schubsen und kaum vom Vollgas weggehen, völlig verängstigt in kaum Schrittempo um den Ring schleicht - eigentlich cool, denn welcher Go-Cart-Ring der Welt hat langsame, bewegliche Hindernisse?

Die Erklärung, was diese Leute hier machen, kommt prompt: Vietnamesen können es sich nicht leisten, Fahrstunden zu nehmen oder überhaupt in einem Auto zu üben. Angesichts der Tatsache, dass in Vietnam die übliche Politik die ist, dass man sich den Führerschein kauft und angeblich 40% aller Motorradfahrer überhaupt keinen Ausweis "whatsoever" haben, ist es verständlich, dass diese Erfahrungen im Go-Cart-Ring für Vietnamesen als Verkehrsschulung reichen müssen und man bekommt auf einmal eine Idee, warum die Lastwagenfahrer (meist schon ok) manchmal absolut keine Kontrolle über ihr Fahrzeug zu scheinen haben und speziell von irgendwelchen Regeln keine Ahnung haben. Gefahr besteht aber meist nicht, weil die Geschwindigkeiten so tief sind, dass man meist ausweichen oder bremsen kann...